Ziegelindustrie: „Ende der Talsohle im Visier“

Auf deutlich höherem Stimmungsniveau ist die Ziegelindustrie in das neue Baujahr 2004 gestartet. Wie Helmut Jacobi, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e.V., Bonn, vor Journalisten auf der bautec in Berlin betonte, „hat sich die Zukunftseinschätzung der Branche im Vergleich zum Vorjahr erheblich verbessert. Wir haben das Ende der Talsohle im Visier; Signale zur wirtschaftlichen Stabilisierung werden spürbar.“ Hoffnung bewirke zudem das Fortbestehen der - wenn auch reduzierten - Eigenheimzulage. Nun müsse abgewartet werden, welche steuerpolitischen Entscheidungen die Regierung festschreibeAuf deutlich höherem Stimmungsniveau ist die Ziegelindustrie in das neue Baujahr 2004 gestartet. Wie Helmut Jacobi, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e.V., Bonn, vor Journalisten auf der bautec in Berlin betonte, „hat sich die Zukunftseinschätzung der Branche im Vergleich zum Vorjahr erheblich verbessert. Wir haben das Ende der Talsohle im Visier; Signale zur wirtschaftlichen Stabilisierung werden spürbar.“ Hoffnung bewirke zudem das Fortbestehen der - wenn auch reduzierten - Eigenheimzulage. Nun müsse abgewartet werden, welche steuerpolitischen Entscheidungen die Regierung festschreibe.

Längst nicht zufrieden zeigte er sich mit den Rahmenbedingungen für die Steine-und-Erden-Branche. Die deutsche Ziegelindustrie sei ein local-business und ans eigene Land gebunden. Deshalb sei eine stärkere steuerliche Berücksichtigung der Kommunen unabdingbar, damit diese wieder investieren könnten. Davon würde nicht nur die Ziegelindustrie, sondern die gesamte Bauleistung profitieren. Er warnte davor, dass „wir in vielen Bereichen der Infrastruktur bereits von der Substanz leben“. Im Steuerwettbewerb dürfe es deshalb nicht nur um optimale Bedingungen für Großkonzerne gehen. Vorrangig seien bessere Voraussetzungen auch „für die Kunden am Standort der Ziegelwerke, die sich zu einem nicht unerheblichen Teil aus den Kommunen rekrutieren“. Er forderte einen wirksamen Beitrag der Politik zur intelligenten Konsolidierung der Staatsfinanzen und damit zu Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. „Eine gute Infrastruktur ist eines der wesentlichen Wettbewerbsvorteile, die pro Deutschland sprechen. Diese darf keinesfalls vernachlässigt werden.“

Zur Situation:
Einen Hoffnungsschimmer nach jahrelang anhaltender Baurezession bestätigt der Geschäftsverlauf 2003 der Ziegelindustrie mit bundesweit 230 Werken und insgesamt 11.000 Mitarbeitern. Allerdings musste laut Statistischem Bundesamt zum Ende der ersten drei Quartale im Vergleich zum Vorjahreszeitraum noch ein Rückgang des Gesamtumsatzes von 6,4 % auf 874,76 Mio € hingenommen werden (i.V. 934,99 Mio €). Dem gegenüber sieht Jacobi die aufgrund des hohen Lagerabbaus in den Unternehmen nach der Winterpause tatsächlich in den Markt eingebrachten Mengen und daraus resultierende Umsätze „deutlich höher als von der Statistik ausgewiesen“. Vor allem im 4. Quartal konnten die Ziegelwerke durch den Vorzieheffekt der Eigenheimzulage übereinstimmend erhebliche Umsatzzuwächse verbuchen. Hochgerechnet müsste die Jahresentwicklung daher sogar ein leichtes Plus in Produktion und Wert gegenüber 2002 ausweisen. (Abschließende Zahlen des Statistischen Bundesamtes liegen üblicherweise noch nicht vor.) Die Mauerziegelfertigung (Hintermauerziegel, Vormauerziegel und Klinker sowie Pflasterklinker) bezifferte Helmut Jacobi bei einem Marktanteil von bundesweit 40 % auf 6,390 Mio m3 in den ersten drei Quartalen, was einem Produktionswert von 382,6 Mio € entspricht (i.V. 6,814 Mio m3 im Wert von 414,6 Mio €). Der Bereich Pflasterklinker zeigte sich dank des Sanierungsmarktes erneut stabil. Vormauerziegel und Klinker profitierten gleichfalls von der diskutierten Eigenheimzulage; allerdings fehlten Großobjekte aufgrund leerer Kassen der Kommunen. Einbußen um etwa 6,4 % bei der Fertigung verzeichnete auch die Dachziegelindustrie, die ihre Marktposition dennoch erneut ausbauen konnte. Per 30.9. 2003 verringerte sich die Produktion auf 571,6 Mio Stück. Wertmäßig bedeutet dies ein um 5,4 % reduziertes Umsatzvolumen von rund 492,1 Mio €.

Zukunftsaussichten:
Optimistisch für die nahe Zukunft stimmt den Zieglerpräsidenten die weit gehende Beruhigung in der Branche. Die Neustrukturierung der Hintermauerziegel-Industrie sei nahezu abgeschlossen. „Die Unternehmen haben sich während der fast schon 10 Jahre andauernden Baukrise im Wesentlichen an die Nachfrage im Markt angepasst.“ Ausnahmen bestünden allerdings in regionalen Bereichen mit starker Zieglerdichte, wo noch immer ein Verdrängungswettbewerb herrsche. Die Marktberuhigung zeige sich auch bei der Preisgestaltung, die im Hintermauerziegelbereich „als weitgehend stabil und vernünftig“ zu werten sei. Chancen im Sanierungsmarkt eröffnen sich dem Wandbaustoff Ziegel bei nicht wirtschaftlich modernisierbaren Altwohnanlagen. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden in der Nachkriegszeit 1946-59 in den Ballungszentren ca. 1,6 bis 2,0 Mio Wohnungen mit einer Wohnfläche von 45-48 m2 für eine 5-köpfige Familie gebaut. Für diesen Wohnungsbestand sei es ökonomisch nicht vertretbar, zur Sanierung öffentliche Mittel einzusetzen. Denn ohne den Zuschnitt der Wohnungen zu verändern, würden die Vermietungschancen nicht verbessert und die Wohnungsbaugesellschaften mit nicht refinanzierbaren Kreditkosten belastet. Aufgrund der Standortqualität und des besonderen Stellenwertes für das Stadtbild sei es jedoch sinnvoll, durch Abbruch und Neubau, der den städtebaulichen Interessen und veränderten Wohnungsbedürfnissen angepasst wird, eine langfristige Vermietungsperspektive zu sichern. „Ein Thema“ so Jacobi, „das innovative Ziegler gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft und der Politik in die Diskussion gebracht und erste Projekte in die Praxis umgesetzt haben.“ Des Weiteren mahnte Jacobi die Verbesserung steuerlicher Rahmenbedingungen für die Immobilie an, da bereits schon jetzt Investoren aufgrund von Renditerisiken nicht mehr bereit seien, im Mietwohnungsbau zu investieren.

Ein nach wie vor harter Preiswettbewerb aufgrund hoher Produktionskapazitäten herrsche dagegen in der Dachziegelindustrie. „Gleichwohl, die Dachziegelhersteller haben den noch auf Jahre weiter wachsenden Sanierungsmarkt im Blick und sich mit ausgewogenen Sortimenten, hochwertigen Produkten sowie ausgefeilter Kostenstruktur darauf eingestellt.“ Darüber hinaus gelte es, mit Innovationen in Oberflächengestaltung, Formaten und Formgebung neue Zielgruppen und neue Märkte zu erschließen. Verstärkte Akzeptanz bei Architekten und Investoren gelang zweischaliger Verblendziegelbauweise gegenüber der Ganzglasarchitektur durch den Jahrhundert-sommer 2003. Laut Erhebung des Instituts für Wohnen und Umwelt in Darmstadt konnten viele Gebäude mit Ganzglasfassaden das Wohlbefinden ihrer Nutzer in den extrem heißen Sommermonaten kaum leisten. Sie wiesen unerträgliches Innenraumklima mit dramatischen Temperaturen, hohen Energiebedarf für Kühl- und Lüftungstechnik sowie verheerende Energiekennwerte auf. Dagegen können Wandkonstruktionen mit Vormauerziegelschalen seit jeher funktionierenden sommerlichen Wärmeschutz für sich in Anspruch nehmen.

Abschließend wehrte sich Helmut Jacobi entschieden gegen das politische Argument des Wohnungsleerstandes, das auch gegen die Eigenheimzulage bemüht wurde. Massiver Leerstand resultiere aus massivem Bevölkerungsabzug aufgrund regionaler Unattraktivität. Die deutliche Verknappung bezahlbaren Mietwohnungsraums in Großräumen wie München, Stuttgart, Frankfurt oder der Rheinschiene spreche eine deutliche Sprache. „Bei einem Potential von heute nur noch 270.000 Einheiten, höherer Lebenserwartung der Bürger und dem Trend zu größerem Wohnraum wird der langfristig wachsende Wohnraumbedarf in unverantwortlicher Weise eingeschränkt.“

Baugenehmigungen / Zinsentwicklung:
Hoffnungen für die Ziegelindustrie sieht Verbandshauptgeschäftsführer Martin Roth auch in der Entwicklung der Baugenehmigungen. Laut einer Schätzung des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen stiegen diese in 2003 um 11% auf 230.000 Wohnungen in Westdeutschland und um 13% auf 40.000 Wohnungen in Ostdeutschland. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern - ureigene Domäne der Ziegelindustrie - erhöhten sich die Genehmigungszahlen im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 20 %. Der Einbruch habe im Mietwohnungs- und Eigentumswohnungsbau stattgefunden. Hier reduzierten sich die Genehmigungen allein in Westdeutschland in den letzten Jahren von 140.000 in 1994 auf rund 25.000 in 2003 bzw. von 177.000 in 1994 auf etwa 40.000 in 2003. Enorme Schwankungen, die der Eigenheimbau in den zurückliegenden Jahren nie hatte hinnehmen müssen. Martin Roth: „Mit den in 2003 genehmigten 132.000 Einfamilienhäusern in Westdeutschland (+17 %) beansprucht dieses Geschäftsfeld im Vergleich der letzten 20 Jahre einen Spitzenplatz bei den Genehmigungen.“ Jetzt komme es darauf an, dass die geplanten Objekte auch reali-siert würden. Zwar werde nicht jede Wohnung gebaut - schon gar nicht in den nächsten Monaten. „Dennoch: die Ziegelindustrie geht davon aus, dass mittelfristig mit einer Verstetigung des Ein- und Zweifamilienhausbaus gerechnet werden kann.“

Dies hänge allerdings auch von der - ansteigenden - Zinsentwicklung ab. Vergleiche belegten, dass die Talsohle bei Hypothekenkrediten durchschritten und eine Zinswende eingeläutet sei. Informierte private Investoren würden daher animiert, ihre Planungen in die Tat umzusetzen. „Zu Recht“, so Roth. „Ein Prozentpunkt Zinszuwachs wirkt sich in der Praxis bei 10 oder 20 Jahren Finanzierung nachhaltiger aus als die jetzige Reduktion der Eigenheimzulage. Kluge Bauherren wissen, wenn die Zinsen steigen, wird das Bauen teurer. Darin begründet sich auch unsere Erwartung für einen optimistischeren Verlauf des Geschäftsjahres 2004.“

CE-Kennzeichnung
Positives im Sinne eines europäischen einheitlichen Warenaustausches grobkeramischer Bauprodukte zeichnet sich auch aus Brüssel ab: Seit Beginn des Jahres 2004 ist die CE-Kennzeichnung für Pflasterklinker obligatorisch. Damit gehört diese Sparte mit zu den ersten Bauprodukten, die mit dem Konformitätszeichen der Europäischen Gemeinschaft „europaweit“ gehandelt und in Verkehr gebracht werden dürfen. Neu für den Anwender ist, so Dieter Rosen, Technischer Geschäftsführer des Bundesverbandes Ziegelindustrie, „dass neben der eigentlichen CE-Kennzeichnung zukünftig immer Leistungsklassen oder Anforderungsstufen ausgeschrieben oder für die Lieferung vereinbart werden müssen“. Damit bestehe die Möglichkeit, europaweit die wirtschaftlichste und je nach Verwendung angemessenste Qualität anzubieten. In den Mitgliedsstaaten der EU, der Schweiz und bald auch darüber hinaus in den neuen Beitrittsstaaten der EU werden Pflasterziegel auf Grundlage einheitlicher harmonisierter Prüfverfahren bewertet und gekennzeichnet. Für den deutschen Anwen-dungsbereich im Straßen- und Verkehrswesen sei der Ausschreibende gut beraten, immer die höchsten Anforderungsklassen nach DIN EN 1344 zu fordern und zusätzlich die Pflasterklinkerqualität nach DIN 18503 für den Lieferfall zu vereinbaren.

Die CE-Kennzeichnung für Mauerziegel (Vormauerziegel und Klinker sowie Hintermauerziegel) wird nach Mitteilung der Europäischen Kommission ab Dezember 2004 möglich sein. Spätestens 12 Monate danach muss die gesamte Mauerziegelproduktion auf die neue CE-Kennzeichnung umgestellt sein. „Auch hier wird der Anwender von den europaweit einheitlichen Prüf- und Deklarationsbedingungen profitieren. Bewährte, europäisch nicht genormte Differenzierungen, wie Formate, Maße und Handelsklassen werden für Mauerziegel in nationalen Ergänzungsnormen zur DIN 105 auch weiterhin zur Verfügung stehen“, erläuterte Rosen.


Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V.,
Schaumburg-Lippe-Str. 4,
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Internet: www.ziegel.de

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