Die sind doch nicht ganz dichtNeue Energiesparverordnung der Bundesregierung enttäuscht

Im Jahr 2014 soll sie endlich kommen: die neue Energieeinsparverordnung der Bundesregierung. Am 16. Oktober haben die Bundesministerien für Bau und Wirtschaft nun die Entwürfe für die schon länger erwarteten Novellen dieser EnEV 2014 und des damit einhergehenden Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) an die betroffenen Länder, Verbände und Organisationen verschickt. Beide Regelungen aus dem Jahr 2009 müssen dringend überarbeitet werden, um es Deutschland zu ermöglichen, die 2010 neu gefassten EU-Richtlinien für energieeffiziente Gebäude erfüllen zu können.Eigentlich sollte die neue Verordnung bereits im Jahr 2012 in Kraft treten, doch Experten sind sich weitgehend einig, dass die vorgesehenen Neuregelungen auf Grund der Bundestagswahl 2013 und der Notwendigkeit, die Novellen von Brüssel absegnen lassen zu müssen, frühestens 2014 umgesetzt werden können. Wird damit, was lange währte, auch endlich gut? Nicht unbedingt. „Die Neuregelung der Energieeinsparverordnung 2014 ist in weiten Teilen mehr als enttäuschend“, so das Urteil von Udo Schumacher-Ritz vom Verein zur Qualitäts-Controlle am Bau e.V. aus Göttingen.

Schumacher-Ritz ist ein Mann zweier Welten. Als Vorsitzender und Mitgründer des VQC, dessen mittlerweile 25 Sachverständige allein in diesem Jahr 2.100 Bauvorhaben im Bereich von Ein- und Zweifamilienhäusern beratend begleitet haben, ist der Alltag auf der Baustelle sein täglich Brot. Doch auch das weite Feld der Theorie ist ihm nicht fremd, versieht er doch seit diesem Jahr als Dozent einen Lehrauftrag an der Universität Kassel, wo er Seminare zum Thema "Qualitätssicherung und Bauleitung" abhält.

Wie tief seiner Ansicht nach noch immer der Graben ist, der zwischen den politisch formulierten Energiesparzielen und der Praxis auf den Baustellen verläuft, erläutert Schumacher-Ritz am simplen Beispiel des unkontrollierten Luftwechsels über die Gebäudehülle. Die Luftwechselrate aus dem Luftdichtheitstest gibt Auskunft über die Luftdichtigkeit eines Hauses und ist damit einer der essentiellen Faktoren für die Energieeffizienz des Gebäudes. Je undichter ein Haus ist, desto mehr Luft kann pro Stunde entweichen und muss durch neue, kalte zu erwärmende Luft ersetzt werden. Da es sich bei der entweichenden in der Regel um warme, bei der neu einströmenden um Kaltluft handelt, muss permanent Heizaufwand betrieben werden, um die Innentemperatur auf einem konstant angenehmen Level zu halten.

2014 sollen die Grenzwerte für Gebäude ohne Lüftungsanlage auf einen Wert von 3,0, für Häuser mit Lüftungsanlage auf 1,5 festgesetzt werden, was bedeutet, dass binnen einer Stunde das drei-, beziehungsweise eineinhalbfache des Raumluftvolumens über Fugen und Öffnungen im Bereich der Gebäudehülle ausgetauscht werden darf. Damit verharrt die neue Energieeinsparverordnung auf dem Stand des Jahres 2002 - für Schumacher-Ritz ein Wert, der jeglicher Orientierung am Möglichen entbehrt. Bereits 2005 konnte der VQC bei von ihm betreuten Bauprojekten mittels des so genannten Blower-Door-Tests durchschnittliche Luftwechselraten von 2,2 ermittelt. Bis zum Jahr 2009 reduzierte sich dieser Wert im Mittel noch einmal auf 1,1. 2012 sei es mittlerweile sogar problemlos möglich, Luftwechselwerte von 0,9 zu erzielen. Eine Entwicklung, an der die VQC-Mitarbeiter keinen unwesentlichen Anteil haben.

Das Geheimnis dieser weit unter der politisch geforderten Norm befindlichen Werte liegt, wie so häufig, im viel beschworenen Leichten, dass so schwer zu machen ist. Dass es hierbei nicht auf immer ausgeklügeltere und aufwendigere Bauelemente, sondern vielmehr auf handwerkliche Sorgfalt ankommt, wissen die VQC-Ingenieure schon lange: „Durch saubere und fehlerfreie Verarbeitung der Baustoffe können auch jetzt schon Luftwechselraten erzielt werden, von denen die Theoretiker in den Ausschüssen nur träumen. Binnen weniger Jahre haben wir die von uns begleiteten Bauvorhaben nachweisbar von einem Luftwechselwert von 2,2 auf 0,9 gedrückt - und das nur durch die Summierung vieler kleiner Optimierungen. Der jetzt in der EnEV 2014 geforderte Wert von 1,5 wird somit seit langem schon deutlich unterboten“, so Schumacher-Ritz.

Eine faltenfrei verklebte Dichtungsfolie hier, ein fachgerecht verlegtes Wandkabel dort - indem sie auf den Baustellen vor Ort auf einfache Verarbeitungsmängel hinweisen, sorgen VQC-Sachverständige dafür, dass die Häuser ihrer Kunden ohne zusätzlich entstehende Kosten immer dichter werden. Durch regelmäßige Schulungen für Handwerker werden die entsprechenden Kenntnisse an jene vermittelt, die sie ohne großen Mehraufwand tagtäglich zur Anwendung bringen können.

Für den VQC-Vorsitzenden erfüllt diese pragmatische Herangehensweise auf einfachste Art gleich zwei wesentlichste Punkte des vielschichtigen Themas Energieeffizienz: Umweltschutz durch Reduktion der CO2-Emission zum einen, Kosteneinsparungen für den Hausbesitzer zum anderen. Deutlich wird das an einer Modellrechnung, die ein Haus mit einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern und einem Innenvolumen von rund 300 Kubikmetern zu Grunde legt. Gelingt es entsprechend geschulten Handwerken, den Luftwechselwert des Gebäudes von heute durchschnittlichen 2,2 auf 1,1 zu halbieren, spart das pro Jahr etwa 2.568 Kilowattstunden Energie. Wird diese Heizenergie durch Strom erzeugt, können sich bei den aktuellen Strompreisen Kosteneinsparungen zwischen 600 und 700 Euro im Jahr ergeben. Wird die Energie aus Gas gewonnen, reduziert sich der jährliche CO2-Ausstoß um 670 Kilogramm. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren werden somit pro Haushalt mehr als 13 Tonnen des klimaschädlichen Gases eingespart. Handelt es sich beim Energielieferanten, wie noch immer in vielen deutschen Haushalten, um Öl, bleibt der Umwelt im Laufe von 20 Jahren sogar der Ausstoß von 15 Tonnen CO2 pro Haushalt erspart.

Diese erfreulichen Zahlen und die Erkenntnis, dass sie mit einfachen Handgriffen zu haben sein könnten, würde man sich nicht konsequent dem Machbaren verweigern, veranlasst Schumacher-Ritz mit Blick auf die 2014 kommende neue Energieeinsparverordnung und die in ihr enthaltenen antiquierten Luftwechselraten zu einem nicht gerade schmeichelhaften Urteil: "Das ist kein Fortschritt sondern de facto ein Rückschritt und zugleich eine Bankrotterklärung der Politik. Seit Jahren sitzen hoch bezahlte Fachleute zusammen und diskutieren über Energieeffizienz beim Bau von Einfamilienhäusern - und stagnieren dann bei den wesentlichen Standards“.

Autor: Verein zur Qualitäts-Controlle am Bau e. V. (VQC)

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