Südwesten: Einseitige Auslegung europäischer Vorgaben bringt kleine Wasserkraft in GefahrNatur- und Klimaschutz müssen zusammen gedacht werden

In Baden-Württemberg sind derzeit 887 Megawatt (MW) Wasserkraftleistung installiert, davon rund 180 MW in 1.700 kleinen Wasserkraftanlagen. Aus Gründen des Natur- und Gewässerschutzes sollen nach einseitiger Auslegung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie nun zunehmend Stauwehre kleiner Wasserkraftanlagen im Land weichen – etwa bei Löffingen im Südschwarzwald. Auf diese Weise verliert das Land erneuerbare Stromerzeugungskapazität.Auch die kleine Wasserkraft leistet ihren Beitrag zur Energiewende, wie die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg betont. Durch Modernisierungen können Betreiber die Wasserkraftanlagen durchlässig gestalten und damit ökologische Anforderungen erfüllen. Auf diese Weise gehen Natur- und Klimaschutz Hand in Hand.

„Wir brauchen die vielen dezentralen kleinen Wasserkraftanlagen im Land für eine erfolgreiche Energiewende“, sagt Franz Pöter, Geschäftsführer der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg. „Sie sind grundlastfähig und oftmals für die lokale Energieerzeugung relevant.“ Erneuerbare Technologien wie Wasserkraft und Bioenergie ergänzen die volatile Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie. Nun droht durch eine einseitige Auslegung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie das Aus für viele traditionelle Kleinwasserkraftanlagen. „Wir setzen uns dafür ein, dass es vernünftige Kompromisse für die ökologische Aufwertung der Gewässer und die Energieerzeugung gibt“, führt Franz Pöter aus.

Wasserkraftnutzung und Naturschutz sind vereinbar

Aktuell erregt der Fall der Schattenmühle an der Wutach bei Löffingen die Gemüter. Dem Besitzer droht der Entzug des Wasserrechts. Nach dem Willen des Landratsamts Breisgau Hochschwarzwald soll das Stauwehr der traditionellen Kleinwasserkraftanlage im Schwarzwald bereits in den nächsten Tagen abgebrochen werden. Damit reagiert die Verwaltung auf die Anforderungen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Diese beinhaltet als Umweltziel das Erreichen eines guten ökologischen und chemischen Zustandes der europäischen Gewässer.

Nach Auffassung der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg schließen sich die Nutzung der Wasserkraft und ein guter ökologischer Zustand der Gewässer nicht aus. Gerade im Oberlauf kleiner Anlagen, wo sich kleine Mengen Wasser anstauen, entstehen biologisch vielfältige Biotope. Auch die Wasserrahmenrichtlinie lässt hier einen Ermessensspielraum zu. Die Richtlinie besagt nicht, dass zum Erreichen eines guten ökologischen Zustandes der Gewässer Querverbauungen abgerissen werden müssen. Sie eröffnet die Möglichkeit, mittels einer Fischaufstiegsanlage Durchgängigkeit zu schaffen. „Bestehende Wehranlagen durchlässig zu gestalten und sie gleichzeitig zur Stromgewinnung zu nutzen, bildet keinen Widerspruch, sondern vereint Klima- und Naturschutz,“ fasst die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e.V., Julia Neff, zusammen.

Umbau von Kleinwasserkraftanlagen möglich

Die Wehranlagen der meisten Kleinwasserkraftanlagen können nach dem heutigen Stand der Technik umgebaut werden und so zu einer Optimierung des guten ökologischen Zustands der Gewässer beitragen. Die gesetzlichen Vorschriften müssen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit umgesetzt werden. Dazu sind die Betreiber der Wasserkraftanlagen bereit und haben Vorschläge unterbreitet, um einvernehmliche Lösungen zu finden.

Aus Sicht der Wasserkraft-Verbände ist das Vorgehen der Behörden bei der Schattenmühle besonders bedenklich: Hier soll ein bestehendes Altrecht auf die Nutzung der Wasserkraft mit Verweis auf den Naturschutz widerrufen werden. Dabei wurde das Schutzgebiet inklusive der bestehenden Wasserkraftanlage ausgewiesen. Das Naturschutzgebiet ist also mit der Wasserkraftanlage gewachsen.

Anders gelagert ist die Situation an der Schwarzen Säge am Schwarzenbächle im Südschwarzwald: Das Recht an der Wasseroberfläche sowie dem Wehr liegt beim Land Baden-Württemberg und nicht beim Eigentümer der Säge. Doch auch hier werden durch die Entscheidung des Regierungspräsidiums Freiburg, das Wehr abzureißen, ein traditionsreicher Standort der Wasserkraftnutzung sowie ein seit mehr als 400 Jahren gewachsenes Biotop verloren gehen.

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